Reizdarmsyndrom
Das Reizdarmsyndrom (RDS), auch als Colon irritabile bezeichnet, gehört zur Gruppe der funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen und zählt in der Gastroenterologie zu den am häufigsten gestellten Diagnosen. Schätzungsweise 20 – 30 % der Bevölkerung leiden an einem RDS, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer. Die Erstmanifestation liegt im frühen Erwachsenenalter (20 – 40 Jahre).
Das Symptombild vom Reizdarmsyndrom
Charakteristisch für das RDS sind gastrointestinale Beschwerden wie Stuhlunregelmäßigkeiten, Bauchschmerzen, Druckschmerzhaftigkeit im Unterbauch, Blähungen, Übelkeit und Erbrechen. Zudem geben Patienten häufig an, dass nach dem Stuhlgang das Gefühl einer unvollständigen Darmentleerung zurückbleibt.
Beim Reizdarmsyndrom werden drei Untergruppen voneinander unterschieden:
- diarrhö-dominierend
- obstipations-dominierend
- gemischt/alternierend
In den meisten Fällen verläuft das Reizdarmsyndrom chronisch oder chronisch-rezidivierend, es kann aber auch spontan zur Remission kommen. In Stresssituationen verstärken sich die Beschwerden häufig, sodass bei vielen Patienten eine ausgeprägte psychische Komponente vorliegt. Viele Reizdarm-Patienten leiden zudem an Depressionen und/oder Angststörungen.
Welche Symptome treten bei Reizdarm am Morgen auf?
Viele Betroffene erleben am Morgen eine deutlichere Symptomatik, da der Darm durch Aufstehen, Bewegung und die erste Mahlzeit angeregt wird:
- Bauchkrämpfe oder Druckgefühl direkt nach dem Aufstehen
- Blähbauch / starke Gasbildung am frühen Morgen
- Drang zur Stuhlentleerung, teilweise sehr plötzlich
- Weicherer Stuhl oder mehrere Toilettengänge hintereinander (besonders bei RDS-D)
- Bei RDS-C hingegen oft ein Gefühl von Unvollständigkeit oder erfolglosen Toilettengängen
Diese Morgen-Symptomatik ist typisch, aber nicht zwingend – das Beschwerdebild schwankt stark.
Mögliche Ursachen
Eine eindeutige Ursache für das RDS konnte bislang nicht ausfindig gemacht werden. Dennoch gibt es einige Faktoren, die mit der Entstehung eines RDS assoziiert werden oder eine dem RDS-ähnliche Symptomatik hervorrufen:
- Maldigestion und Malabsorption von Kohlenhydraten
- Gastrointestinale Infekte
- Störungen des intestinalen Mikrobioms
- IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien
- IgG-assoziierte Nahrungsmittelunverträglichkeiten
- Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität (NZWS)
- Histaminintoleranz
- Verdauungsstörungen
- Gallensäureverlust
- Psychovegetative Störungen
- Genetische Faktoren
Untersuchungen des Mikrobioms haben gezeigt, dass Reizdarm-Patienten vom Diarrhö-Typ im Vergleich zu Gesunden beispielsweise eine signifikant geringere Anzahl an Laktobazillen und Bifidobakterien aufweisen.
Wie sieht der Stuhl bei Reizdarmsyndrom aus?
Beim Reizdarmsyndrom (RDS) kann das Stuhlbild sehr unterschiedlich ausfallen. Typisch ist ein wechselndes Muster, das nicht dauerhaft gleich bleibt:
- RDS mit Durchfall (IBS-D): weicher bis flüssiger, teilweise wässriger Stuhl; häufig auch Schleimbeimengungen.
- RDS mit Verstopfung (IBS-C): harter, trockener, klumpiger Stuhl, oft pelletartig („Schafskot“).
- RDS mit gemischtem Typ (IBS-M): Phasen von Durchfall und Verstopfung wechseln sich ab.
- Unabhängig vom Subtyp: Manche Betroffene berichten über Schleim auf dem Stuhl sowie das Gefühl einer unvollständigen Entleerung.
Wichtig: Das Aussehen des Stuhls allein ist nicht diagnostisch. Entscheidend ist die Kombination aus Beschwerden, Symptomdauer und dem Ausschluss anderer Erkrankungen.
Standarddiagnostik des Reizdarmsyndrom
In der S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom wurden drei Diagnosekriterien für das RDS festgelegt, wobei für eine gesicherte Diagnose alle drei Punkte erfüllt sein müssen:
- Es bestehen chronische, d.h. länger als 3 Monate* anhaltende Beschwerden (z. B. Bauchschmerzen, Blähungen), die von Patienten und Therapeuten auf den Darm bezogen werden und in der Regel mit Stuhlgangsveränderungen einhergehen.
- Die Beschwerden sollen begründen, dass der Patient deswegen Hilfe sucht und/oder sich sorgt, und so stark sein, dass die Lebensqualität hierdurch relevant beeinträchtigt wird.
- Voraussetzung ist, dass keine für andere Krankheitsbilder charakteristischen Veränderungen vorliegen, welche wahrscheinlich für diese Symptome verantwortlich sind.
*Eine Symptomdauer > 2-3 Wochen, aber < 3 Monate rechtfertigen noch nicht die Diagnose eines Reizdarmsyndroms. Dennoch gelten die Empfehlungen zum Management (Diagnostik, Therapie) des Reizdarmsyndroms auch für diese Patienten; denn auch diese Patienten bedürfen einer diagnostischen Abklärung und können therapeutisch nicht vertröstet werden. Eine Symptomdauer < 2-3 Wochen ist hingegen nicht Gegenstand der aktuellen Leitlinien.
Eine diagnosesichernde Standarduntersuchung für das Reizdarmsyndrom existiert nicht.
Therapeutische Ansätze
Eine Besserung eines RDS kann durch folgende Punkte erreicht werden:
- langfristige Umstellung der Ernährung (dauerhaft abwechslungsreiche, fettarme, ballaststoffreiche und sekundäre Inhaltsstoffe enthaltende Ernährungsform, z. B. vegetarische Vollwertkost)
- Verabreichung präbiotischer Präparate (z. B. Flohsamenschalen, Weizenkleie, resistente Stärke, Amylopektin)
Mit dieser Therapie werden auf biologische Weise die intestinalen Milieuverhältnisse stabilisiert, was gleichsam die gewünschte Anpassung des Mikrobioms nach sich zieht. Eine kurzfristige Ernährungsumstellung bzw. Substitution von probiotischen Präparaten wird das intestinale Mikrobiom nicht nachhaltig verändern.
Welche Krankheiten fallen unter ICD-10 (bezogen auf Reizdarm)?
Das Reizdarmsyndrom ist im ICD-10 unter K58 klassifiziert. Darunter fallen folgende Diagnosen:
- K58.0 / K58.1 – Reizdarmsyndrom mit Durchfall
- K58.2 – Reizdarmsyndrom mit Obstipation (Verstopfung)
- K58.3 – Reizdarmsyndrom mit gemischtem Beschwerdebild
- K58.8 – Sonstiges Reizdarmsyndrom / nicht näher bezeichnet
Diese Klassifikation beschreibt funktionelle Darmbeschwerden ohne nachweisbare strukturelle Erkrankung – nach Ausschluss anderer Ursachen.
Weiterführende Informationen:
Ausführliche Informationen zum Reizdarmsyndrom finden Sie auf gesundheitsinformation.de oder bei der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS).
